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Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht

Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes innerhalb einer BAG (BSG, Urteil v. 27.06.2018)

 

Scheidet ein Arzt aus einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aus, so ist ein Nachbesetzungsverfahren für seinen Sitz nicht allein deshalb abzulehnen, weil der ausscheidende Arzt in den letzten Quartalen fast keine Fälle  mehr abgerechnet hat. Vielmehr ist auf die Versorgungsrelevanz der gesamten BAG abzustellen.

 

Zum Sachverhalt: 

Vorliegend ging es um eine BAG, welche aus 3 Mitgliedern mit jeweils einem vollen Versorgungsauftrag bestand. Der älteste der drei Vertragsärzte verstarb nach schwerer Erkrankung. In den letzten 3 Jahren hatte dieser im Mittel nur noch 76 Fälle pro Quartal, was 10% des Fachgruppendurchschnitts entsprach. Hingegen wies die BAG als solche die Fallzahlen auf, die durchschnittlich bei drei Ärzten der Fachgruppe mit vollem Versorgungsauftrag anfallen.

Die BAG beantragte nun zugunsten eines neuen Kollegen die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Aufgrund der niedrigen Falzahlen des verstorbenen Arztes genehmigte der Zulassungsausschuss jedoch die Nachbesetzung nur für einen halben Versorgungsauftrag. Dieses Vorgehen wurde durch das Sozialgericht Berlin bestätigt.

 

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts:

Das Bundessozialgericht hob diese Entscheidung jedoch auf. Ein Nachbesetzungsverfahren ist dann nicht möglich, wenn auf Arztsitzen oder Arztstellen eine Versorgung nicht fortgeführt werden kann, weil kein Praxissubstrat mehr vorhanden ist oder alle Ärzte einer BAG/MVZ gekündigt haben und die Praxisräume abgegeben worden sind.

Bei einer BAG dürfe man aber nicht den einzelnen Vertragsarzt(sitz) betrachten, sondern müsse die BAG als Ganzes berücksichtigen. Wenn die BAG fortbesteht, müssen die Zulassungsgremien im Rahmen ihrer Prüfung der Versorgungsrelevanz folglich daran anknüpfen. Dabei komme es für die Versorgungsrelevanz nur darauf an, ob der Versorgungsauftrag, wie er sich aus der Addition der Versorgungsaufträge der Mitglieder ergibt, von der BAG in diesem Rahmen insgesamt wahrgenommen werde.

Hingegen könne die Versorgungsrelevanz eines nach zu besetzenden Sitzes dann abgesprochen werden, wen die Fallzahlen der BAG gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder deutlich unterdurchschnittlich sind.

Kommentar:

Das BSG hat sich mit dieser Entscheidung endlich mal wieder von seiner arztfreundlichen Seite gezeigt, zumal in dem wirtschaftlich bedeutsamen Bereich der Nachbesetzung.

Das BSG macht aber auch deutlich, dass seine Rechtsauffassung nicht dazu führe, dass Mitglieder einer BAG keine Angst mehr vor einer Entziehung wegen Nichtausübung haben müssten. Wenn ein in einer BAG tätiger Arzt seinen Versorgungsauftrag nicht oder nicht annähernd erfüllt, hat die KV nach wie vor das Recht nach § 95 Abs. 6 SGB V, die Entziehung auch bei einem BAG-Mitglied zu beantragen.

Ansprechpartner: Christian Koller, Fachanwalt für Medizinrecht

Fundstelle: BSG, Urteil vom 27.06.2018 - B 6 KA 46/17 R