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Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht

Verbleib von Vertragsarztsitzen nach Ausscheiden, BSG v. 03.08.2016

Verpflichten sich Ärzte bei Eintritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft, ihren eingebrachten Vertragsarztsitz nach ihrem Ausscheiden dort zu belassen, so können sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu den entsprechenden Erklärungen verpflichtet werden. Die Zulassungsgremien sind an eine rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidung des Zivilgerichts gebunden, auch wenn es sich um eine solche des einstweiligen Rechtsschutzes handelt.

Ansprechpartner: Christian Koller, Partner

Ein Facharzt für Radiologie war Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Der BAG lag ein Gesellschaftsvertrag zugrunde, wonach der Radiologe im Falle seines Ausscheidens aus der Gesellschaft verpflichtet ist, seinen Vertragsarztsitz „zugunsten der Gesellschaft“ ausschreiben zu lassen. Nachdem der Radiologe sich entschieden hatte, die Gesellschaft zu verlassen, schloss er mit den anderen Gesellschaftern eine Vereinbarung. In dieser wurde nochmals die Verpflichtung wiederholt, seine „vertragsärztliche Zulassung zugunsten der Berufsausübungsgemeinschaft zur Ausschreibung“ zu bringen und diese „mit Wirkung zum 01.10.2010 auf einen von den verbleibenden Gesellschaftern zu benennenden Nachfolger zu übertragen“.

Zwar beantragte der Radiologe zunächst die Ausschreibung, zog diese aber wieder zurück und übte seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr aus. Der Zulassungsausschuss brachte die Zulassung daraufhin von Amts wegen zum Ruhen.

Die verbleibenden Gesellschafter erwirkten daraufhin bei dem zuständigen Zivilgericht eine einstweilige Verfügung mit der der Radiologe verpflichtet wurde, den Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes erneut zu stellen und auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten eines der verbliebenen Gesellschafter zu verzichten. Der Inhalt der einstweiligen Verfügung wurde von dem Radiologen angefochten, jedoch in allen zivilgerichtlichen Instanzen bestätigt. Anschließend legte die BAG die einstweilige Verfügung dem Zulassungsausschuss vor und beantragte im Ergebnis die Nachbesetzung des radiologischen Sitzes mit einem ihrer Gesellschafter.

Zwar verweigerte der Radiologe seine Zustimmung. Im Gegenteil: er bewarb sich selber nochmals auf seinen ehemaligen Sitz. Seine Zustimmung wurde jedoch durch die bestandskräftige einstweilige Verfügung ersetzt, der Gesellschafter der BAG erhielt die Zulassung und der Zulassungsantrag des Radiologen wurde abgelehnt. Dabei stützten sich die Zulassungsgremien auf die einstweilige Verfügung und auf die Vorschrift § 894 ZPO.

Damit gab sich der Radiologe noch nicht geschlagen. Er griff nun die Nachbesetzungsentscheidung bei den Sozialgerichten an.

Der Radiologe argumentierte sinngemäß, dass die endgültige Entscheidung über eine Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes nicht allein auf einer einstweiligen Verfügung basieren dürfe. Letztere sei lediglich das Ergebnis einer summarischen Prüfung. Die Zulassungsgremien unterliegen jedoch dem Amtsermittlungsgrundsatz. Sie hätten folglich inhaltlich prüfen müssen, ob er tatsächlich seine Verzichtserklärung abgegeben habe.

Dem folgte das BSG nicht. Die Bindungswirkung von Entscheidungen der Zivilgerichte werde nicht durch den im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz in Frage gestellt. Soweit es - wie hier - auf die Frage ankommt, ob der Verzicht auf die Zulassung erklärt wurde, gelte zwar das Amtsermittlungsprinzip nach (§ 20 SGB X). Die Zulassungsgremien hätten aber nur klären müssen, ob eine solche Erklärung tatsächlich abgegeben wurde oder - wenn der Betroffene wie hier zu deren Abgabe verurteilt worden ist - ob die Voraussetzungen des § 894 ZPO gegeben sind. § 894 ZPO hat dabei folgenden Wortlaut: „Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat.“

Somit, so das BSG, hätten die Zulassungsgremien nicht die materielle Richtigkeit rechtskräftiger Entscheidungen der Zivilgerichte zu prüfen, sondern allein, ob tatsächlich ein rechtskräftiges Urteil im Sinne des § 894 ZPO vorliege, das die dort geregelte Wirkung auslöse.


Fundstelle: BSG, Beschluss v. 03.08.2016 – B 6 KA 10/16