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Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht

Vorgaben zur Ermittlung eines Sonderbedarfs, SG Marburg, Urteile vom 11.02.2017 - S 12 KA 258/16 und S 12 KA 262/16

Das Sozialgericht Marburg hat sich in zwei Entscheidungen vom 11.02.2017 mit der Ermittlung des Sonderbedarfs auseinandergesetzt.

In der ersten Entscheidung stellte das SG MArburg darauf ab, dass die tatsächlichen Patientenströme ermittelt werden müssten:

"Jedenfalls nach der Neufassung der §§ 36, 37 BedarfsplRL gilt, dass für die Ermittlung des Sonderbedarfs allein auf den Einzugsbereich der Praxis, unabhängig von den Planungsbereichsgrenzen, abzustellen ist. So verlangt § 36 Abs. 3 Nr. 1 BedarfsplRL, unabhängig von der Größe des Planungsbereichs, dass die Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage durch die Abgrenzung einer Region, die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll, und Bewertung der Versorgungslage zu erfolgen hat.

Soweit Patienten von außerhalb des Planungsbereichs kommen, ist zu prüfen, ob nicht auch außerhalb des Planungsbereichs eine Versorgung möglich ist. Immer dann, wenn besondere Bedarfe zu prüfen sind, hat die Prüfung nicht allein anhand des Bedarfs des Planungsbereichs allein zu erfolgen. Bei ergänzenden Zulassungen oder Ermächtigungen ist die Versorgung in angrenzenden Bereichen einzubeziehen, da die vermeintliche Versorgungslücke von Leistungserbringern anderer Planungsbereiche gedeckt werden kann. Die Versorgung in benachbarten Planungsbereichen ist zu berücksichtigen, weil es auf die lokalen und insoweit nicht durch die Grenzen des Planungsbereiches beschränkten Gegebenheiten ankommt. […]

Maßgeblich ist auf den tatsächlichen Versorgungsbedarf im Einzugsbereich der Praxis abzustellen. Dieser ist nicht an Planungsbereichsgrenzen gebunden. Zu berücksichtigen sind vielmehr die tatsächlichen Patientenströme, die sich unabhängig von Planungsbereichsgrenzen entwickeln können. Der Vertragsarzt ist nicht auf die Behandlung der Versicherten in seinem Planungsbereich beschränkt, insb. steht es dem Versicherten frei, welchenArzt er aufsucht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V)."

In der zweiten Entscheidung entschied das SG Marburg, dass im Rahmen der Sonderbedarfsermittlung die VEreinbarung über die Einrichtung einer Terminservicestelle ohne Belang sei. Aus der Vereinbarung über die Einrichtung von Terminservicestellen und die Vermittlung von Facharztterminen der KBV und dem GKV-Spitzenverband folge nicht, dass ein Facharzt der allgemeinen fachärztlichen Versorgung innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein müsse. Hinzu kommen würden die Wegezeiten des Versicherten zum nächstgelegenen Facharzt. Könne der Versorgungsanspruch der Versicherten auf Erreichbarkeit eines Arztes in zumutbarer Entfernung nicht in jedem Einzelfall erfüllt werden, so folge hieraus nicht, dass eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen ist. Eine Sonderbedarfszulassung komme erst dann in Betracht, wenn im Einzugsbereich der geplanten Praxis eine Versorgungslücke im Umfang eines wenigstens hälftigen Versorgungsauftrags besteht.


Ansprechpartner: Christian Koller, Partner

Fundstelle: Sozialgericht Marburg, Urteile vom 11.02.2017 - S 12 KA 258/16 und S 12 KA 262/16;
veröffentlicht unter: http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de