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Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht

Errichtung von Testamenten im Krankenhaus – was Krankenhausträger beachten müssen (OLG Hamm v. 13.04.2010)

Der Träger eines Krankenhauses ist grundsätzlich nicht gehalten, einem Patienten Rechtsrat zu erteilen oder ein Testament aufzusetzen. Er ist jedoch verpflichtet, einem Patienten bei der Testamentserrichtung die zumutbare Unterstützung zu gewähren.
Wenn der Krankenhausträger die Errichtung eines Testaments übernimmt oder an einer solchen mitwirkt, dann hat er sich entsprechend sachkundig zu machen, um eine formunwirksame Erbeinsetzung zu vermeiden.
Im Zweifel muss der Krankenhausträger auf die fehlende Sachkunde zur Testamentserrichtung hinweisen und zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Notars raten.


Ansprechpartner: Anna Herzig

I. Sachverhalt
Die Klägerin ist die langjährige Lebensgefährtin des am 08.12.2006 im Krankenhaus der Beklagten verstorbenen Erblassers. Dieser befand sich wegen einer schweren Krebserkrankung unter anderem bei der Beklagten in Behandlung.
Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes bestand regelmäßiger Kontakt zu dem Zeugen K, des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten. Dieser wies den Erblasser u.a. auch auf die Notwendigkeit der Abfassung eines Testaments hin, um die Klägerin finanziell abzusichern. Weitere pflichtteilsberechtigte Erben, hatte der Erblasser nicht.
Nachdem der Erblasser von seinen Ärzten eindringlich auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hingewiesen worden war, entschloss er sich am 06.12.2006 zu Gunsten der Klägerin ein Testament zu errichten. Da er aufgrund seiner Erkrankung das Testament nicht mehr selbständig schriftlich verfassen konnte, entwarf der Zeuge K ein solches und fasste es maschinenschriftlich ab. In Anwesenheit der Klägerin und der Zeugin Dr. U lass der Zeuge K dem Erblasser das Testament vor. Der noch geschäftsfähige Erblasser unterschrieb das Testament. Als Zeugen unterzeichneten (nur) der Zeuge K und die Zeugin Dr. U.
Die Klägerin beantragte unter Vorlage des errichteten Testaments die Erteilung eines Erbscheins. Dies wies das zuständige AG mit der Begründung zurück, das Testament sei wegen der Hinzuziehung von nur zwei Zeugen als Nottestament nicht wirksam. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.
Der durch fehlgeschlagene Erbeinsetzung entstandene Schaden der Klägerin beläuft sich auf über€ 512.000,00. In vorliegendem Verfahren begehrte die Klägerin einen ersten Teilbetrag i.H.v. € 78.931,37.
Hatte das erstinstanzliche Landgericht Essen die Klage noch abgewiesen, nahm das OLG Hamm eine schadenskausale Pflichtverletzung an.
II. Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht sah den Anspruch schon auf Grundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter als gegeben an. Gegenüber der Klägerin bestehe eine Schutzpflicht der Beklagten aus dem zwischen ihr und dem Erblasser bestehenden Krankenhausaufnahmevertrag. Die aus dem Krankenhausaufnahmevertrag obliegende Schutzpflicht habe die Beklagte dadurch verletzt, dass der bei ihr beschäftigte Zeuge K maßgeblich an der Errichtung des unwirksamen Testaments mitgewirkt habe. Dies müsse sich die Beklagte gem. § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen.
Das Berufungsgericht erkannte an, dass der Träger eines Krankenhauses grundsätzlich zwar nicht gehalten sei, einem Patienten Rechtsrat zu erteilen oder gar ein Testament zu verfassen. Die Pflicht zur Betreuung bestimmter sozialer Probleme umfasse nicht die Pflicht zur Rechtsberatung. Allerdings sei der Krankenhausträger verpflichtet, einem Patienten bei der Testamentserrichtung die zumutbare Unterstützung zu gewähren und dabei alles zu unterlassen, was die Errichtung eines wirksamen Testaments gefährden könnte. Wenn der Krankenhauträger hingegen die Errichtung eines Testaments – wie vorliegend - übernimmt oder hierbei mitwirkt, hat er sich entsprechend sachkundig zu machen, um eine formunwirksame Erbeinsetzung zu vermeiden. Bei fehlender Sachkunde hat er darauf hinzuweisen und zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Notars zu raten. Dies war vorliegend unterblieben.
Diesen Pflichtverstoß, d.h. die fehlende Hinzuziehung eines dritten Zeugen für die Errichtung des Nottestaments bzw. den unterlassenen Hinweis auf die fehlende Sachkunde und die erforderliche Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Notars erachtete das Berufungsgericht als kausal für die Errichtung des formunwirksamen Testaments. Es war davon überzeugt, dass der Erblasser sowie die Klägerin auf die Wirksamkeit des unterzeichneten Testaments und die Sachkunde des Zeugen K vertrauten. Hätte der Zeuge K die Testamentserrichtung jedoch abgelehnt oder den Erblasser bzw. die Klägerin über seine fehlende Sachkunde aufgeklärt, wäre es – nach Überzeugung des Gerichts - noch zur Errichtung eines wirksamen Testaments gekommen, da der Erblasser den Willen gehabt habe, seine Lebensgefährtin – die Klägerin – finanziell abzusichern. Das Gericht erkannte zudem an, dass bei einem entsprechenden Hinweis durch den Zeugen K die Hinzuziehung eines Notars oder Rechtsanwalts auch noch rechtzeitig möglich gewesen wäre und zur Errichtung eines wirksamen notariellen Testaments oder Nottestaments geführt hätte.


Fundstelle: OLG Hamm v. 13.04.2010 - I-21 U 94/09 = MedR 2011, 812-815;
zur Ergänzung vgl. Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Auflage, Rz. 93