Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht
Keine "Stolperfalle" in Klinik bei 0,8 cm Niveauunterschied (LG München II, Urt.v. 27.10.2011)Stolpert ein Patient in einer Klinik über einen Niveauunterschied von 0,8 Zentimeter im Eingangangsbereich, stellt dies grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Klinikträgers dar.
Ansprechpartner: Christian Koller, Partner
Im vorliegenden Fall war der minderjährige Kläger als
Patient der Klinik in deren Eingangsbereich über eine 0,8 Zentimeter hohe Kante
einer Eingangsmatte gestolpert. Das Gericht sah aus folgenden Gründen in diesem
Niveauunterschied keine Verkehrssicherungspflichtverletzung:
"Zum einen ist zwar zu berücksichtigen, dass sich diese
Unebenheit im Eingangsbereichs einer Klinik befindet, in der Patienten mit
körperlichen Beeinträchtigungen behandelt werden, so dass an die Einhaltung der
Sicherheitsstandards hohe Anforderungen zu stellen sind.
Zum anderen sind jedoch eine Reihe von Aspekten zu beachten,
die diese hohen Anforderungen relativieren. Die Unfallstelle befand sich
unstreitig nicht auf einem glatten Bodenbelag, bei dem im Gebäudeinneren einer
Klinik nur ganz geringen Höhenunterschiede von jedenfalls unter 1 Zentimeter hinzunehmen
waren, sondern auf einer strukturierten Matte, der gewisse Höhenunterschiede
bereits immanent sind. Diese ohnehin vorhandenen Höhenunterschiede sind von jeden
Besucher auch erkennbar, und er kann sich darauf einstellen, auch wenn an der
konkreten Unfallstelle ein stärkerer Unterschied vorhanden war.
Eine Ablenkung, wie zum Beispiel im lnneren eines
Kaufhauses, existierte an der Unfallstelle darüber hinaus nicht. Unstreitig
öffnen sich die Glastüren im Eingangsbereich automatisch, so dass der Benutzer
seine Aufmerksamkeit auch auf den Bodenbelag richten kann.
Ferner ist das Berufungsgericht überzeugt, dass der
Niveauunterschied im Belag der Fußmatte keine Größenordnung erreichte, die auch
bei einem normal sorgfältigen Gehen Ursache eines Sturzes sein konnte. Dies
ergibt sich daraus, dass sich die erhöhte Stelle zentral auf der Fußmatte
befand und außer dem Kläger im Zeitraum um den Unfall kein anderer Patient / Besucher
zu Schaden kam, obgleich die Unfallstelle viel frequentiert wurde. Zurückzuführen
ist dies mit einiger Wahrscheinlichkeit auf den Umstand, dass der Kläger den
Eingangsbereich nicht sorgfältig gehend sondern eilig passierte. Damit hat er
sich den gegebenen Verhältnisse nicht in erforderlicher Weise angepasst,
sondern ist als einziger Patient an einer Stelle hängen geblieben, die die
anderen Patienten und Besucher ohne Probleme meistern konnte. Die Beklagte muss
ihren Eingangsbereich nicht so gestalten, dass er sich von jemanden, der eilig
läuft, gefahrlos zu passieren ist."
Vertreter der Klinik: RA Christian Koller, Fachanwalt für Medizinrecht
Fundstelle: LG München II, Urteil vom 27.10.2011 - 8 S 2808/11, n.v.