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Beiträge und Entscheidungen/ Medizinrecht

Praxisärzte können wegen Bestechlichkeit belangt werden (AG Ulm, Urteil vom 26.10.2010)

Mit seinem Urteil vom 26.10.2010 stellte das Amtsgericht Ulm als erstes Gericht in Deutschland fest, dass niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit strafrechtlich belangt werden können.

Ansprechpartner: Christian Koller, Partner
In seinem bislang noch nicht veröffentlichten Urteil stellte das Strafgericht in Ulm fest, dass niedergelassene  Ärzte wegen Bestechlichkeit gemäß § 299 StGB strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Hintergrund waren zwei Ärzte, die umsatzabhängige Prämien von einer Pharmafirma für die Verordnung derer Präparate erhalten haben.

Das Urteil stellt juristisches Neuland dar und hat seinen Ursprung in einer Doktorarbeit eines Juristen, welcher vor wenigen Jahren diese Problermatik zum ersten Mal diskutierte. Unter Medizinrechtlern ist dabei höchst umstritten, ob der niedergelassene Arzt  überhaupt Täter im Sinne dieser Vorschrift sein kann. Denn gemäß § 299 StGB kann nur der wegen Bestechlichkeit verfolgt werden, der als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr tätig ist.

Das AG Ulm kam nun zu dem Schluss, dass Vertragsärzte Beauftragte der Krankenkassen sind. Auch wenn der Vertrag über die Abgabe eines Medikamentes zwischen der Apotheke und dem Versicherten bzw. der Krankenkasse geschlossen wird, sah das Gericht aufgrund der engen und vielfältigen Einbindung des Vertragsarztes in das System der Gesetzlichen Krankenkassen eine Beauftragtenstellung.

Diese Rechtsauffassung ist in meinen Augen nicht haltbar. Der Vertragsarzt ist trotz aller gesetzlichen Vorgaben ein Freiberufler, der aufgrund seiner eigenen Sachkomptetenz entscheiden darf, welche medizinischen Behandlungsmaßnahmen er vornehmen will. Wäre er Beauftragter der Krankenkassen, wäre er auch in medizinischer Hinsicht an deren Vorgaben gebunden. Dies ist jedoch im Kollektivvertragssystemn gerade nicht der Fall. Etwas anderes könnte höchsten im Einzelfall für Selektivverträge gelten.

Das Urteil des AG Ulm wird die Diskussion weiter anheizen. Die Anwälte der verurteilten Ärzte haben bereits Rechtsmittel eingelegt. Zudem ist ein Parallelverfahren in Hamburg anhängig. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH sehr schnell eine höchstrichterliche Klärung herbeiführen wird, wobei das Interview des Richter am BGH Fischer mit dem Spiegel Ende Oktober darauf hinweist, dass der BGH sich der Meinung der Ulmer Richterin im Ergebnis anschließen wird.

Fundstelle: Der Spiegel, 2010, Nr. 44, S. 85